Der stationäre Handel leidet nicht nur unter Corona, sondern auch unter dem boomenden Onlinegeschäft. Was macht das mit den Einkaufsstraßen?
Geschlossene Rollläden, leere Schaufenster und ausgestorbene Straßen – sie sind das extreme Ergebnis des Strukturwandels im Handel. Mancherorts ist das schon Realität. Schon vor Corona wurden Innenstädte immer leerer, Geschäfte gerieten aufgrund des wachsenden Onlinehandels zunehmend unter Druck.
Hinzu kommen Fachmärkte und Einkaufszentren am Stadtrand, die Käuferzahlen aus der Innenstadt abziehen. Die Folge: Händler wandern ab, die Einkaufsstraßen veröden. Experten warnen: Die krisenbedingt hohen Umsatzverluste könnten die Entwicklung beschleunigen.
Kaum mehr Leerstände
Noch hat sich die Pandemie nicht in den Leerständen in Österreichs Innenstädten bemerkbar gemacht. Der Anteil an leeren Geschäften in den Einkaufsstraßen und Kaufhäusern hat im Krisenjahr nur leicht von 7,4 auf 7,5 Prozent zugelegt.
Zu diesem Urteil kommt eine aktuelle Erhebung der Beratungsgesellschaft „Standort + Markt“, die am Dienstag gemeinsam mit dem Handelsverband präsentiert wurde. In dieser wurden die Shopflächen der 20 größten Städte, sowie von 16 ausgewählten Kleinstädten analysiert.
„Eine signifikante Zunahme ist nicht zu verzeichnen, weil die Mietverträge langfristig auf drei bis fünf Jahre angelegt sind und diese Verträge sind noch aufrecht“, erklärt Handelsverbandsgeschäftsführer Rainer Will.
10.000 Geschäfte bedroht
Doch die Vielfalt an Läden schrumpft seit Jahren – besonders betroffen sind Kleinstädte. „Die rückläufige Flächenentwicklung der vergangenen zehn Jahre ist stiller Zeuge der veränderten Konsumgewohnheiten“, so Will.
Durch den strukturellen Wandel hätten rund 10.000 Händler ihre Läden schließen müssen. Aufgrund der Krise seien nun ebenso viele zahlungsunfähig – was für weitere Leerstände sorgen könnte. Es sei „die Ruhe vor dem Sturm.“ Will: „Wir gehen von einer Schließungswelle im zweiten Halbjahr aus.“
Boomender eCommerce
Neben 80 ausgefallenen Einkaufstagen hat die Krise auch zu einem sprunghaften Wachstum im Onlinehandel geführt. Doch dieser kann die Verluste nicht ausgleichen. Im Gegenteil: Er zieht dem stationären Handel die Kunden ab und das Geld fließt größtenteils ins Ausland.
Laut Zahlen des Handelsverbands verzeichnet der Onlinehandel 2020 ein Wachstum von rund 30 Prozent mit einem Umsatz von mehr als 8,5 Milliarden Euro. Allerdings: Von den 8,5 Milliarden profitieren nicht nur jene 13.500 heimischen Händler die einen Webshop aufweisen, sondern insbesondere Amazon, Zalando und Co.
Ortskernverödung
Corona habe damit nicht nur den eCommerce befeuert, sondern könne potenziell auch die Stadt- und Ortskernverödung verschärfen, so Will.
Generell zeigt die Studie, dass es in Klein- und Bezirksstädten mehr leere Geschäfte gibt, als in den Großstädten. Innenstädte mit besonders hohen Leerstandsraten hatten auch 2020 mit hohen Verkaufsflächenverlusten zu kämpfen.
Kämpfender Modehandel
Im Detail betrachtet bröckelt der Modehandel am stärksten, gleichzeitig macht er fast die Hälfte aller Handelsflächen in den Einkaufsstraßen aus. Zwischen 2014 und 2020 wurde ein Rückgang der Verkaufsflächen von 33 auf 28,8 Prozentdokumentiert.
„Am härtesten trifft es kleine, eigentümergeführte Geschäfte. Doch auch große Anbieter haben sich zurückgezogen“, sagt Hannes Lindner, Geschäftsführer von „Standort + Markt“.
Lindner glaubt, dass trotz des Lockdowns die Gastronomie immer wichtiger werde. „Sie könnte die Themenführerschaft übernehmen, weil sie nicht durch den eCommerce ersetzt werden kann.“
Schon länger zeige sich, dass Leerstände nicht mehr von Modegeschäften, sondern hauptsächlich von Gastro, Büros oder Arztpraxen abgelöst werden. Doch dass damit das Veröden der Innenstädte aufgehalten wird, glaubt er nicht. „Wir brauchen eine multifunktionale City.“