Wien. In Summe ist es sogar eine gute Nachricht: Das heimische Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Vorjahr mit einem Minus von 6,6 Prozent zwar so stark zurückgegangen wie noch nie zuvor seit Ende des Zweiten Weltkrieges, zeigen am Freitag veröffentlichte Daten der Statistik Austria. Der Rückgang fiel schlussendlich jedoch geringer aus als zuletzt befürchtet. So erwartete etwa das Wifo noch Anfang Februar ein Minus von 7,4 Prozent.
Dennoch hatte die Coronapandemie negative Auswirkungen auf die österreichische Volkswirtschaft in einem bis dahin ungekannten Ausmaß, wie ein Vergleich mit der Finanzkrise von 2009 zeigt. Damals ging das BIP im schlechtesten Quartal – dem zweiten – um 5,9 Prozent zurück. Auch 2020 war der Zeitraum zwischen Anfang April und Ende Juni am stärksten betroffen. Diesmal setzte es jedoch ein Minus von 13,5 Prozent.
Wichtiger Tourismus
Im europäischen Vergleich findet sich Österreich damit im „unteren Drittel wieder“, wie Statistik-Chef Tobias Thomas bei der Präsentation der Zahlen sagt. „Nur Portugal, Frankreich, Kroatien, Italien und Spanien wurden noch stärker getroffen. Das sind alles starke Tourismusländer“, so Thomas.
Der große Anteil von Gastronomie und Beherbergung an der heimischen Volkswirtschaft sei demnach auch der wichtigste Faktor für die überdurchschnittlich starke Auswirkung auf das heimische BIP. Mit einem Rückgang von 35,2 Prozent auf 13,3 Mrd. Euro ist das Minus in diesem Segment auch mit Abstand am größten (siehe Grafik). Zusammen mit Handel und Verkehr, die ja ebenfalls zumindest teilweise vom Tourismus abhängen, stehe dieser Sektor für 20,4 Prozent der heimischen Wirtschaftsleistung, so Thomas weiter. In Deutschland sei dieser Anteil mit 15,7 Prozent im Vergleich geringer. Und auch die Rückgänge fielen bei unserem nördlichen Nachbarn schwächer aus.
Allerdings sei der Tourismus nicht allein für die stärkere Betroffenheit von der Krise verantwortlich, heißt es am Freitag von verschiedenen Ökonomen. „Hinzu kommt, dass wir, anders als im Frühjahr 2020, als schnell reagiert wurde, im Herbst dem Infektionsgeschehen lang zugesehen haben und dann eine recht lange Phase im Wechsel zwischen Lockdown light und vollständigem Lockdown verbracht haben“, sagt Hanno Lorenz vom liberalen Thinktank Agenda Austria. Er liegt in dieser Analyse auf einer Linie mit dem dezidiert linken Momentum-Institut. „Das Zögern im Sommer und Herbst hat uns viel Wohlstand gekostet“, so Oliver Picek von Momentum.
Aber nicht nur die Wirtschaftsleistung ging auf absolut gesehen 375,6 Mrd. Euro zurück – auch die dafür notwendigen Arbeitsstunden reduzierten sich beträchtlich. Sie verminderten sich sogar um 8,8 Prozent. Dass sich die Zahl der Jobs gleichzeitig nur um 1,8 Prozent reduzierte, erklärt sich durch Kriseninstrumente wie die Kurzarbeit.
Supermärkte als Gewinner
Ob es viel oder wenig Arbeit gab, hing 2020 jedoch sehr stark mit der konkreten Branche zusammen. Während die bereits erwähnte Gastronomie und Beherbergung mit rund einem Drittel und dahinter Kultur und Unterhaltung mit fast 20 Prozent geringerer Wertschöpfung an der Spitze der betroffenen Branchen rangieren, konnten Banken und Versicherungen mit einem Plus von 2,5 Prozent oder das Immobilienwesen mit plus 1,9 Prozent im Gesamtjahr sogar Zuwächse erzielen.
Ebenfalls profitiert haben 2020 die Supermärkte. Angesichts geschlossener Restaurants mussten die Österreicher zu Hause kochen und kauften entsprechend mehr ein. Die Wertschöpfung der Supermärkte lag daher mit 8,2 Prozent im Plus. Übertroffen wurde das naturgemäß vom Onlinehandel, der Zuwächse von 16,7 Prozent verzeichnete. Verlierer war hier der stationäre Bekleidungs- und Schuhhandel mit einem Minus von 22,8 Prozent.
Sieht man sich die Konsumation einzelner Haushalte an, dann gab es das größte Minus bei Flugtickets. Die Ausgaben hierfür gingen 2020 um fast 70 Prozent zurück. Ebenfalls deutlich im Minus lagen Ausgaben für Kultur wie Theater-Eintritte oder Kinokarten. Hier gab es ein Minus von 42 Prozent. Das Geld wurde stattdessen etwa in neue Möbel gesteckt, bei denen ein Plus von zwölf Prozent verzeichnet wurde. Zuwachs-Kaiser waren aber digitale Dienstleistungen wie Streaming oder Onlinespiele: Sie legten um 31,4 Prozent zu. (jaz)